„Jubilare“ – Unter diesem Motto stand das diesjährige Muttertagskonzert des Musikvereins „Harmonie“ Hördt, das am 11. Mai 2019 in der Hördter Turn- und Festhalle stattfand. Das Motto geht zurück auf das lateinische „iubilare“, das so viel wie „jauchzen“, „frohlocken“ und „jubeln“ bedeutet, aber auch zu „laut und wild lärmen“ ausarten kann. Laut und wild darf es bei einem Konzert zwar durchaus auch mal zugehen, damit es aber nicht ausuferte, dafür sorgte Matthias Wolf, der Dirigent des Hördter Musikvereins.
Und schon mit dem ersten Stück, der „Fanfare in Iubilo“ von Thomas Doss, knüpfte das Orchester mit strahlenden Trompetenklängen und flotten Tutti-Passagen an das Jubel-Motto an.
Moderiert wurde der Konzertabend von Regina Pfiester, die in erfrischend lockerer Manier das Publikum mit interessanten Werkinformationen versorgte und dabei stets den roten Faden des Konzerts im Auge behielt.
„Denk dir, Fanny, ich bin auf einmal der declarirte Liebhaber von Hoboen geworden. Kurz, ich lebe und sterbe für Hoboen. Auch Trompeten stehn sehr in meiner Gunst; denn es sind so sehr sanfte Instrumente (wenn sie piano blasen natürlich). Auch werd’ ich Hörner bald sehr lieben; so balds mit den Trompeten vorbei ist.“ Diese Zeilen schrieb Felix Mendelssohn-Bartholdy an seine Schwester. Offenbar war er ein echter Blasmusik-Freund, was sich auch in seiner „Ouvertüre für Harmoniemusik op. 24“ zeigt. Doch was hat Mendelssohns Ouvertüre, die an diesem Abend in einem Arrangement für modernes Blasorchester von Robert J. Garofalo erklang, mit dem Konzertmotto zu tun? Tatsächlich boten sich gleich mehrere Gründe zum Jubeln: Der Komponist selbst feiert dieses Jahr seinen 210. Geburtstag. Zudem erschien die Ouvertüre, die er ursprünglich für elf Bläser komponierte und später für großes Orchester arrangierte, vor genau 130 Jahren im Druck. Die Ouvertüre, die einen Bogen von kammermusikalischen Partien mit kantablen Hornstellen bis hin zu furiosen Holzbläserfiguren spannt, verlangte den Musikerinnen und Musikern zwar einiges an Können ab, doch die detaillierte Probenarbeit machte sich bezahlt und das Orchester wurde mit großem Applaus belohnt.
Was fällt Ihnen zum Jahr 1989 ein? Die meisten denken vermutlich an den Fall der Berliner Mauer. Ein weitreichendes Ereignis, das Siegmund Goldhammer in seiner Komposition „Wendepunkte 1-9-8-9“ einfängt. Man kann sich schon denken, dass in diesem Stück nicht alles ‚harmonisch‘ zugeht, war das Jahr doch auch geprägt von Spannungen und Unsicherheiten. Musikalisch bedeutet dies: Dissonanzen sowie häufige Tempo- und Taktartwechsel. Immer wieder blitzten im Orchester Bruchstücke der beiden deutschen Hymnen auf, die sich am Ende ineinander verwoben. „Die Gedanken sind frei“ ruft uns die sanfte Solotrompete über die dissonanten Klänge hinweg zu. Eindrucksvoll erzählte der Hörder Musikverein die Geschichte der Deutschen Einheit nach und das Publikum wurde von der Erzählkraft des Orchesters in den Bann gezogen.
Nach dieser Reise in die deutsche Geschichte fand sich das Publikum plötzlich auf einem Glockenturm hoch über den Dächern von Paris wieder. Wir befanden uns auf den Spuren des Glöckners von Notre-Dame, der sich in die schöne, temperamentvolle Esmeralda verliebt und kopfüber in ein ergreifendes Abenteuer stürzt. Das Orchester des Musikvereins Hördt präsentierte mit Calvin Custers Arrangement der Film- und Musicalmusik „Der Glöckner von Notre Dame“ die Highlights dieser berührenden Geschichte.
Nach der Pause wurde geehrt und bejubelt – dieses Mal aber ein Musiker aus den eigenen Reihen. Seit 25 Jahren engagiert sich Schlagwerker Steffen Bummel im Musikverein. Für seinen Einsatz wurde er von Bernhard Reiß, dem Präsidenten des Kreismusikverband Germersheim, mit der silbernen Ehrennadel ausgezeichnet.
Musikalisch eröffnet wurde der zweite Teil des Konzerts mit dem Stück „Golden Year“ von Alfred Reed, bei dem insbesondere die Blechbläser mit ihrem majestätischen Anfangsthema brillieren konnten.
Anschließend folgte der Höhepunkt des diesjährigen Muttertagskonzerts: Die sinfonische Dichtung „Hamburg – Das Tor zur Welt“ von Guido Rennert, die die Geschichte der Stadt Hamburg musikalisch nachzeichnet. Allein die Dauer des Stücks stellt eine Herausforderung dar, denn es hat eine Länge von insgesamt 25 Minuten. Verstärkt und unterstützt wurde das Orchester dabei von Jasmin Angl am Klavier und für die richtige Prise Seemanns-Romantik sorgte die Solistin Elke Liebel am Akkordeon. Ein Überflug über die Stadt eröffnet das Werk und führt in das wilde Treiben der Hansezeit mit der Hinrichtung Störtebekers. Sopranblockflöten erinnerten mit ihrem archaischen Klang und den tänzerischen Melodien an mittelalterliches Marktgetümmel. Festliche Trompetenfanfaren kündigten die Ankunft des Königs von Dänemark an, bevor die Wellenmotive der Holzbläser das Publikum behutsam ins 19. Jahrhundert trugen. Der große Aufbruch stand bevor. Millionen von Menschen traten zu dieser Zeit in Hamburg ihre Reise nach Amerika an. Und das klang auch am Konzertabend geradezu nach einem vielversprechenden Abenteuer, von dem sowohl die Musiker als auch das Publikum mitgerissen wurden. Danach machte sich andächtige Stille im Konzertsaal breit. Das nächste einschneidende Ereignis traf Hamburg im Sommer 1943. Unter dem Codenamen „Operation Gomorrha“ wurde die Hansestadt bombardiert. Zehntausende Menschen fielen in diesen Tagen dem zweiten Weltkrieg zum Opfer. Zwölf Glockenschläge des Hamburger Michels riefen zum stillen Gedenken. Ein Choral mit ergreifendem Trompetensolo löste die Stille behutsam auf. Da kündigte leises Flirren und Vogelgezwitscher einen Neuanfang an, das letztlich in der selbstbewussten Melodie der Tagesschau kulminierte. Doch die neugewonnene Lebensfreude währte nicht lange. Eine gewaltige Sturmflut brach über das Orchester und den gesamten Saal herein. Aber auch der mutige Kampf gegen die Flut und das beherzte Auftreten des Hamburger Ehrenbürgers Helmut Schmidt fanden ihren Platz in der Komposition. Mit einem Porträt des illustren Stadtteils St. Pauli kam das Stück schließlich in der Neuzeit an und hier darf selbstverständlich der legendäre Gassenhauer „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“, der die Gesichter zum Lächeln und das Publikum zum Schunkeln brachte, nicht fehlen. In Hochstimmung entließ das Orchester die Zuhörer und diese belohnten die herausragende Leistung mit Standing Ovations. Ein rundum gelungenes Konzert!
Aber halt! Da fehlt doch noch was! Was wäre denn das Hördter Muttertagskonzert ohne Rosen? Während Hildegard Knefs Erfolgsschlager „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ wurde jeder Dame das obligatorische Röschen von den Nachwuchsmusikern überreicht.
Die „Jubelklänge“, ein Marsch von Ernst Uebel, bildete den musikalisch-beschwingten Kehraus.