Wie der Musikverein Hördt mit der Krise umgeht
Die Corona-Krise hat den Trainings- und Probenbetrieb der Vereine weitgehend lahmgelegt. Um den Kontakt aufrechtzuerhalten, mussten die Mitglieder kreative Lösungen finden. Beim Musikverein „Harmonie“ Hördt war das ein Online-Stammtisch, der nicht nur ein großer Erfolg war, sondern bei dem sich auch eine Musikerin aus dem ICE zuschaltete. Angesichts der notorisch löchrigen Mobilfunknetz-Infrastruktur ein kleines Wunder.
Apropos Wunder: Beim Musikverein wundern sich die Verantwortlichen auch über die neue Corona-Bekämpfungsverordnung. Denn durch die jüngsten Lockerungen kehrt zwar für viele Vereine ein Stückweit Normalität ein – nicht aber beim Musikverein. Die 8. Corona-Bekämpfungsverordnung regelt zahlreiche Freizeitaktivitäten – von Fitnessstudios über Spielhallen und Zirkusse – von Blasmusikkapellen war aber ursprünglich nicht die Rede.
Das wurmt den Vorsitzenden, Wolfgang Eßwein, und seinen Dirigenten Matthias Wolf, wie sie beim Gespräch am 28. Mai betonen: „Es war einfach enttäuschend. Wir haben darauf hingearbeitet, die erste Probe in Corona-Zeiten möglich zu machen. Wir haben uns viele Gedanken um Abstände und Hygieneschutz gemacht, ich habe mich in Studien eingelesen und so weiter. Ich habe auch mit dem Kreisbeigeordneten Christoph Buttweiler gesprochen, denn es hieß ja, dass Veranstaltungen bis zu 100 Personen im Freien wieder möglich sind. Daran haben wir uns orientiert, mit dem Ortsbürgermeister Max Frey über eine Location gesprochen und die Logistik geklärt. Und dann kam die neue Verordnung und alles war hinfällig“, sagt Wolfgang Eßwein.
Landrat Fritz Brechtel hat sich unterdessen an das Sozialministerium des Landes gewandt, um eine Klärung zu erreichen. „Wir fühlen uns vom Landkreis und von der Verbandsgemeinde gut unterstützt – die können ja auch nichts dafür und müssen die Verordnungen des Landes umsetzen“, betont Matthias Wolf. Zumal die Mitglieder die Vereinsaktivität sehr vermissen, wie sich beim „Muttertagsgruß“, einem so genannten asynchronen Werk zu „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, herausgestellt hat: Über 40 Orchestermitglieder haben bei sich zuhause zunächst ihre Einzelstimme eingespielt und dann ein Video von sich in Uniform gedreht – Dirigent Matthias Wolf hat dann die Stimmen zum Orchesterklang und die einzelnen Videos zusammengefügt.
„Viele haben gesagt: ‚Ich hätte nicht gedacht, dass ich es so vermisse‘“, erinnert sich Wolfgang Eßwein. Um die Zeit zu überbrücken, habe man einen Online-Stammtisch abgehalten, der sehr gut angenommen wurde. Das neueste Mitglied des Musikvereins habe sogar aus dem ICE nach Köln heraus und mit Mundschutz am Stammtisch teilgenommen. „Es ging ziemlich lang – die letzten haben sich um 0.30 Uhr ausgeloggt.“ Außerdem hat der Verein bei der „Klopapierchallenge“ der Musikvereine der Region mitgemacht.
Trotzdem: Ein Ersatz für das persönliche Zusammentreffen ist das nicht. Durch Corona sind viele Aktivitäten ausgefallen, was besonders zu Anfang große Ungewissheit bedeutete: Anfang Mai wäre ein Konzert gewesen – zu Beginn der Corona-Bekämpfungsverordnung war noch nicht abzusehen, wie lange die Kontaktbeschränkungen dauern würden und demzufolge auch nicht, ob noch genug Zeit gewesen wäre zu proben. „Als noch nicht klar war, wie massiv die Beschränkungen sich auswirken, hat einer unserer Musiker gesagt: ‚Proben wir erstmal weiter. Der Schlimmstfall wäre, wir proben und haben kein Konzert. Aber wenn wir nicht proben, ist der Worst Case, wir haben ein Konzert“, schmunzelt Matthias Wolf.
Es kam anders: Muttertagskonzert, Augustinerfest am Pfingstwochenende, Weißer Sonntag, Musikfeste und auch Jubiläen – alles fiel ins Wasser. Für den Vorsitzenden hauptsächlich ein menschliches, weniger ein finanzielles Problem: „Selbst ohne weitere Einnahmen in diesem Jahr haben wir ein bisschen Puffer. Unsere Ausgaben, beispielsweise für Ausbilder und Dirigenten, die teilweise davon leben, laufen weiter. Wir haben schon früh mit Skype- und Online-Unterricht angefangen, auch wenn das kein Ersatz ist. Deshalb haben wir auch nicht an der VR-Bank-Aktion zur Unterstützung von Vereinen teilgenommen – andere Vereine brauchen diese Unterstützung dringender. Trotzdem hoffen wir natürlich, dass wir bald wieder auftreten und Veranstaltungen durchführen dürfen – sonst müssen wir uns überlegen, wie wir Erlöse erzielen können“, so Wolfgang Eßwein.
Derzeit befindet sich der Musikverein in einer Art Schwebezustand: Die Mitglieder brennen darauf, wieder loslegen zu können, der Verein würde sogar schärfere Beschränkungen in Kauf nehmen, wenn es nur endlich wieder weitergeht. „Wir würden auch drei Meter Abstand akzeptieren und dafür eine Lösung finden“, bekräftigt Matthias Wolf. Generell gehe der Musikverein mit dem Thema schon seit Beginn der Krise sehr sensibel um – wer zur Risikogruppe gehöre oder sich unwohl fühle, soll daheimbleiben, das habe man von Anfang an so gehandhabt und halte daran fest.
Aber die Sehnsucht ist da, das spürt man im Gespräch mit Wolfgang Eßwein und Matthias Wolf. Sie freuen sich, dass es ab Mittwoch, 10. Juni, mit dem Probebetrieb im Freien wieder losgehen kann – und bis dahin gilt: #xundbleiwe.